Globale Biotechnologie im Aufwind – und in Deutschland?

Sehr geehrte Leser des
TechnoPharm-Journals,

der Deutsche Biotechnologie-Report 2016 der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (in Kooperation mit dem Branchenverband BIO Deutschland und dem Arbeitskreis der Deutschen BioRegionen) bescheinigt der deutschen Biotechnologie eine „gute Stimmung“. Dafür scheint es auch Gründe zu geben, wuchsen der Umsatz 2015 doch um 12  % auf 3,4 Mrd. Euro und die Ausgaben für Forschung & Entwicklung um 11  % auf knapp 1,1 Mrd. Euro.

Doch leider ist nicht alles Gold, was glänzt: Mit nur 2  % Wachstum erhöhte sich die Zahl der Biotechnologie-Unternehmen unterdurchschnittlich, bei den Mitarbeiterzahlen ist eine Stagnation bei etwa 17 900 zu vermelden. Vor dem Hintergrund, dass die globale Biotechnologie seit einigen Jahren stetige Zuwächse verzeichnet, bleibt die deutsche Biotechnologie hinter ihren Möglichkeiten zurück.

Woher also die o. g. „gute Stimmung“? Abgesehen vom erfreulichen Umsatzwachstum schreibt der Report dies v. a. dem besonderen Sektorprofil in Deutschland zu: Von anhaltend hoher Nachfrage nach Dienstleistungen und Rohmaterialien kann der Bereich „Services“ (44  %) besonders profitieren. Jedoch sind die (meist börsennotierten) Therapeutikaentwickler der Motor der Biotechnologie – und deren Anteil liegt in Deutschland bei nur 36  %. Zum Vergleich: In der Schweiz belaufen sich diese Anteile auf 26  % („Services“) bzw. 67  % („Therapeutika“). EY provoziert mit der Frage, ob sich die deutschen Unternehmen bereits mit der Rolle von Technologielieferanten und Dienstleistern abgefunden haben.

Die Performance einzelner „Leuchttürme“ wie Curetis, Qiagen und CureVac gibt aber Anlass zur Hoffnung. Und auch die Biotechnologie-Beiträge der TechnoPharm-Ausgabe 6/2016 belegen, dass sich die Innovationskraft Deutschlands auch in diesem Bereich sehen lassen kann.

Umhüllte Virus-Like Particles können im Menschen eine virusneutralisierende Immunantwort initiieren. Der Herstellungsprozess solcher neuartiger Vakzine mittels rekombinanter Insekten- und Säugetierzellen stellt die Industrie allerdings vor neue Herausforderungen. Ein Beitrag zeigt auf, wie genau Techniker, Ingenieure und Planer den Produktionsprozess und das Fill and Finish gestalten müssen, um dem gewachsen zu sein.

Die Verbesserung vorgelagerter Produktion von Zellkulturen und mikrobieller Fermentation genießt bei vielen Biotechnologie-Unternehmen hohe Priorität. Ein Beitrag plädiert zu diesem Zweck für den Einsatz von miniaturisierten Single-use-Bioreaktoren. Diese imitieren die Vorgehensweise der klassischen großen Bioreaktoren, um die bestgeeigneten Klone oder Stämme zu identifizieren und anschließend die Produktionsparameter zu optimieren.

Der Deutsche Biotechnologie-Report 2016 attestiert Deutschland eine erfreulich gute Ausgangsbasis für Biotechnologie-Aktivitäten: ein gesundes pekuniäres Fundament der universitären und außeruniversitären Forschung, ein Spitzenplatz bei Patententwicklungen und Innovationen. Vorausgesetzt, Staat und Gesellschaft stehen der deutschen Biotechnologie-Branche nicht mehr eher im Wege, sondern greifen ihr eventuell sogar helfend unter die Arme – dann könnte sich der Trend umkehren, dass deutsche Innovationen oft im Ausland in wirtschaftlichen Erfolg umgemünzt werden. Doch dies erfordert auch ein gerüttelt Maß an Unternehmertum.


Ihr
Jens Renke
Redaktion TechnoPharm

TechnoPharm 2016, Nr. 6, Seite 307